Versöhnung erleben

So beichten Kinder in Stuttgart

In den Wochen nach Ostern feiern in Stuttgart mehrere Hundert Mädchen und Jungen ihre Erstkommunion. Im Rahmen der Vorbereitung darauf haben viele von ihnen zum ersten Mal gebeichtet. Eine Tradition, die immer wieder infrage gestellt wird, an der viele Stuttgarter Gemeinden jedoch bewusst festhalten. Mit ihren kindgerechten und zeitgemäßen Versöhnungstagen machen sie seit vielen Jahren sehr gute Erfahrungen. „In der Regel finden Kinder es gut und fühlen sich ernstgenommen, wenn man ihnen zutraut, über sich selbst nachzudenken und sich ethisch zu orientieren“, so der katholische Stadtdekan Christian Hermes.

Die Kinder, die nach und nach an diesem Samstag zum Versöhnungstag in St. Konrad kommen, werden herzlich begrüßt. Einige haben ihren Beichtzettel, der mit „Mein Lebenskompass“ überschrieben ist, bereits in der Gruppenvorbereitung oder zu Hause ausgefüllt, andere durchlaufen vor Ort die vier Stationen und machen sich Gedanken über ihren Umgang mit anderen, sich selbst und der Schöpfung sowie ihre Beziehung zu Gott. Auf den Blättern gibt es für jeden Bereich zwei Felder, von denen jeweils eines mit einem traurigen und eines mit einem lächelnden Smiley versehen ist. „Die Kinder sollen ihren Blick nicht nur auf ihre Fehler richten, sondern auch auf das Gute an sich, auf ihre positiven Eigenschaften und guten Taten“, sagt Beatriz Adelmann, die für die Erstkommunionsvorbereitung in der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Mitte zuständig ist. Die Gemeindereferentin behält an diesem Tag alles im Blick und lotst die knapp 50 Jungen und Mädchen zu den verschiedenen Stationen und dem für sie zuständigen Pfarrer. Drei Priester sind im Einsatz und empfangen die Kinder im Beichtzimmer, in der Sakristei und auf der Empore.

Kritische Diskussion im Umgang mit Beichte ist wichtig

Einige der anwesenden Eltern haben die Beichte in ihrer Kindheit noch ganz anders erlebt. „Ich hatte eine sehr strenge Vorbereitung und bin mit Angst in den Beichtstuhl gegangen - Das würde ich meinen Kindern nicht antun. Es hat sich zum Glück viel verändert“, sagt Tanja Hahn. Die Kinderbeichte ist selbst innerhalb der Kirche umstritten, nicht zuletzt wegen des Missbrauchsskandals. Die kritische Diskussion hält der Stuttgarter Stadtdekan für richtig und wichtig, zu lange habe die Kirche in den Seelen von Kindern und Erwachsenen durch eine angsteinflößende und repressive Moral und Beichtpraxis Schaden angerichtet. „Die Kinderbeichte muss äußerst verantwortungsvoll und sensibel und immer im Blick auf Versöhnung, Stärkung und positive Orientierung vermittelt werden“, so Hermes. Ein Ansatz, der auch die Eltern mit schlechten Erfahrungen überzeugt. „Es ist für mich heilsam zu sehen, wie lebensbejahend und ermutigend das Sakrament heute gestaltet wird“, sagt Johanna Beck.

„Ein gutes Gefühl“

Die Aufregung auf dem Weg zum Beichtgespräch ist vielen der Jungen und Mädchen in St. Konrad anzusehen, genau wie die große Erleichterung danach. „Es war sehr schön, mal alles loszuwerden“, sagt Friedrich (9 Jahre). Auch die neunjährige Josefine lächelt zufrieden: „Es ist ein gutes Gefühl, weil man von innen befreit ist. Das fühlt sich besser an.“ Die Gespräche hinterlassen auf beiden Seiten Eindruck: „Es berührt mich immer sehr, was für tiefe Gedanken sich Kinder schon in diesem Alter machen und wie klar sie vieles sehen und bewerten“, so der Stadtdekan.

Beichte als Chance zur Selbsterforschung und Veränderung

Auch andere Stuttgarter Gemeinden setzen seit vielen Jahren auf kindgerechte Versöhnungstage, um Kommunionskinder an die Beichte heranzuführen. Die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Neckar nutzt dabei unter anderem das „Zwiegespräch an der Krippe“ nach Walter Baudet. In der Geschichte nimmt das zum Leben erweckte Jesuskind eine schlechte Note, einen mutwillig zerstörten Becher und eine Lüge an sich, um ein Kind damit von seiner Last zu befreien. Wie in St. Konrad durchlaufen die Jungen und Mädchen verschiedene Stationen und können danach frei entscheiden, ob sie ein Beichtgespräch führen möchten oder nicht. Der Pfarrer sitzt dabei im Altarraum, in Sicht-, aber außerhalb der Hörweite, denn auch für Kinder gilt das Beichtgeheimnis. Vor allem zwei Dinge möchte Pastoralreferentin Silke Jourdan den Acht- und Neunjährigen an diesem Tag mitgeben: „Zum einen, dass man über sich und sein Verhalten nachdenken sollte, und zum anderen die Gewissheit, dass da immer jemand ist, mit dem man über alles sprechen kann.“ Das erfahren auch die Kommunionskinder in der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Ost, die an ihrem Versöhnungstag in Heilig Geist das Gleichnis vom barmherzigen Vater hören und mithilfe eines Selbsterforschungsheftes über ihr Verhalten und Möglichkeiten der Wiedergutmachung reflektieren. „Sich Schuld einzugestehen und darüber zu sprechen, kann ungemein erleichtern und ein Anstoß zur Veränderung sein“, sagt Pastoralreferentin Mechthild Carlé.

So schön ist Versöhnung …

Im Gemeindehaus St. Konrad malen die Kinder nach der Beichte Bilder unter dem Motto „So schön ist Versöhnung …“. Vor allem Regenbögen, bunte Herzen und Schmetterlinge zeigen die Kunstwerke, die mit Wäscheklammern an einer langen Leine aufgehängt werden. Zum Abschluss dürfen die Jungen und Mädchen ihre Beichtzettel in einer Feuerschale verbrennen und sich so noch einmal symbolisch von ihren kleinen Sünden befreien.

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